Im Rahmen der Digitalisierung (Legal Tech Projekte) von Anwaltskanzleien steht für Kanzleien meist ein gewisses Problem im Vordergrund, welches gelöst werden soll. Aus dem Problem ergeben sich Legal Tech Anforderungen, was eine Software leisten soll. Aus diesen Anforderungen entsteht ein Lastenheft. Ein Lastenheft beschreibt, was die neue Software seitens der Kanzlei können muss. Es ist meist eine Liste von Aufzählungen in kurzen Wörtern beschrieben.

Das Lastenheft ist der Ausgangspunkt für die Einholung von Angeboten und dient dazu, dem Softwareunternehmen mitzuteilen, welche Anforderungen an die neue Software gestellt werden. Das Softwareunternehmen erstellt daraus ein Pflichtenheft. Im Wesentlichen unterscheidet es sich vom Lastenheft dadurch, dass im Pflichtenheft, neben den Anforderungen, beschrieben wird, wie die neue Software die Anforderungen löst.

Der Erfolg eines Legal Tech Projektes hängt stark von einem systematisch durchgeführten Requirements Engineering ab.

Wenn Sie in der Kanzlei ein Lastenheft schreiben, sollten Sie die Anforderungen in drei Bereiche einteilen.

  1. Funktionale Anforderungen (z.B. was muss die Software können? Welche Schnittstellen werden benötigt? Welche Daten werden benötigt?)
  2. Nicht-funktionale Anforderungen (z.B. Look and Feel, Benutzerfreundlichkeit, Verfügbarkeit, kulturelle und politische Anforderungen, rechtlichen Anforderungen)
  3. Technische Anforderungen (z.B. Performance, Formate, Wartung und Portabilität, Sicherheit)

Wie erheben Sie die Legal Tech Anforderungen?

Anforderungen für ein IT-Software Projekt aufzunehmen, benötigt Zeit. Nehmen Sie sich diese! Falsche Anforderungen führen zum falschen Ergebnis. Fangen Sie damit an, dass Sie Ihre Anforderungen, die Sie im Kopf haben, aufschreiben. Anschließend versuchen Sie, weitere Anforderungen mit nachfolgenden Techniken auszuarbeiten.  Es kann sein, dass Sie diese mehrmals durchlaufen müssen. Umso größer das Projekt, umso mehr Zeit müssen Sie in die Anforderungen investieren.

  • Dokumente und Literaturstudium
  • Interviews
  • Fragebogen
  • Beobachtung
  • Glossare

Dokumente und Literaturstudium
Beschaffen und lesen Sie relevante Dokumente, die Informationen zum Anwendungsbereich der neuen Software enthalten. Relevante Dokumente können Organisationspläne, Arbeitsanleitungen, Ablaufbeschreibungen, Produktbeschreibungen, Programmdokumentationen etc. sein. Sie können auch auf Fachliteratur zurückgreifen, um zu sehen, wie das Problem in allgemeiner Natur gelöst wird.

Interviews
Fragen Sie Ihre Mitarbeiter/innen, wie sie arbeiten, wo die Probleme genau liegen und was sie sich wünschen würden. Sie können auch Meetings einberufen und Gruppeninterviews durchführen.

Falls Sie schon potentielle Hersteller bei der Hand haben, fragen Sie auch nach deren Meinung. Diese können ganz wertvolle Informationen beitragen, da sie meist darauf spezialisiert sind und weitere Ideen geben können. Hersteller haben auch die Erfahrung von anderen Kanzleien, die meist vor ähnlichen Herausforderungen standen. Notieren Sie alles!

Fragebogen
Ein Fragebogen hilft Zeit zu sparen, insbesondere wenn Sie viele Personen befragen wollen. Dort können auch Fragen gestellt werden, die nicht unmittelbar beantwortet werden können. Z.B. spezielle Auswertungen.

Beobachtung
Interviews und Fragebogen geben die subjektive Sicht der Befragten wieder. Durch eigene Beobachtung der Arbeitsabläufe gewinnen Sie einen ungefilterten Eindruck.

Glossare
Mit der gleichen Sprache sprechen, ist für jedes Projekt wichtig. Erstellen Sie von Anfang an eine Liste aller relevanten Fachbegriffe. So helfen Sie, Missverständnisse zu vermeiden.

Wie sollte ein Anforderungsdokument aufgebaut sein?

Am einfachsten ist es, ein Word-Dokument mit folgender Struktur anzulegen.

Dokumenteigenschaften:
Dokumenteigentümer / Verantwortlicher, Datum

Problem:
Beschreiben Sie das Problem, welches gelöst werden soll. Z.B.: Im Adressbestand sind jede Menge Dubletten.

Ziele:
Beschreiben Sie, was damit erreicht werden soll. Z.B.: Dubletten-Prüfung bei der Eingabe verbessern, Bereinigung der Dubletten,…

Hintergrund:
Beschreiben Sie, warum Sie das tun. Z.B.: Dubletten verursachen erhöhten Aufwand in der Konfliktprüfung und können im schlimmsten Fall zum Verlust eines Mandanten führen.

Anforderungen:

Schreiben Sie jede Anforderung in eine eigene Zeile und geben Sie der Zeile eine eindeutige ID. Mittels der ID wird die Kommunikation mit den Beteiligten wesentlich einfacher, weil Sie sich darauf referenzieren können. Z.B.:

ID Überschrift User Story Notwendigkeit
(Muss/Kann)
Notizen
1 Anzeige einer Dublette Bei einer Person muss erkennbar sein, ob es dazu Dubletten gibt. Muss
2 Übersicht aller Dubletten Eine Übersicht der Dubletten wäre gut, da man bei Leerzeiten Dubletten bereinigen könnte. Kann
3 Funktion zum Ersetzen einer Dublette Wenn eine Dublette in einem oder mehreren digitalen Akten bereits verwendet wird, muss es die Möglichkeit geben, diese Person gegen eine andere einfach zu ersetzen. Muss
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Warum ist die Spalte „Notwendigkeit“ wichtig?

Nicht jede Anforderung ist gleich wichtig. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung ist die Erkennung der Notwendigkeit einer Anforderung. Daraus folgt auch das Risiko hinsichtlich der Zielerreichung und der Kosten. Sie werden aus Kostengründen nicht jede Anforderung umsetzen lassen können.

Hinweis / Tipp: Sie dürfen keine Anforderung weglassen, die das Ziel gefährdet. Damit Sie dieses Risiko eingrenzen, achten Sie bei Gesprächen mit dem Hersteller, ob eine Anforderung auch später einfach integriert werden kann. Lassen Sie sich auch eine Einschätzung / Angebot der Kosten für die nachträgliche Implementierung geben. Notieren Sie diese Information in den Notizen der Anforderungen.